Story about
Kornaten

EINE REISE ZUM RAND VON KROATIEN

Der Küstenabschnitt um Kornat ist eine Gruppe dicht verstreuter Inseln mit karger, mondähnlicher Landschaft, wenig Vegetation, hohen Klippen, tiefem Meer und gnadenlosem Wetter. Aber es ist auch ein Zuhause für eine Handvoll Familien, die den Teil dieses Küstenabschnittes besitzen.
Erreichen Sie einen der höheren Hügelspitzen auf Kornat, der Hauptinsel in diesem UNESCO-geschützten Nationalpark. Die Inseln breiten sich wie Schallwellen aus, umgeben von zerknittertem Meer, das nahtlos am Horizont verschwindet. Insellinien überschneiden sich und es ist schwer zu sagen, wo eine Insel aufhört und die nächste beginnt. Sie können sich die illyrischen Piratenschiffe vorstellen, die sich hier verstecken – die Landschaft hat sich seit Jahrhunderten kaum verändert, und Menschen leben hier genauso lange.
Ich kam vor Jahren mit dem Kajak hierher und war neugierig diese Gegend, über die ich ich oft gehört hatte, zu sehen. Seitdem komme ich jedes Jahr zurück um eine begrenzte Anzahl von Reisenden auf Kajaktouren durch diesen inspirierenden Archipel zu führen. Wir sind in Vrulje und wohnen bei Ivo, einem einheimischen Fischer und seiner Familie, die einen Teil der Hauptinsel besitzen und hier 6 Monate im Jahr leben.
Karge Landschaft von Kornat.
DAS DORF
Hierher zu kommen ist ein Abenteuer für sich. Auf den Inseln gibt es keine ständigen Einwohner, daher gibt es keine kommerziellen Verbindungen. Das nächste Dorf mit einer Verbindung zum Festland ist Sali auf der Insel Dugi Otok und von dort aus braucht man zwei Stunden mit einem kleinen Boot. Die Alternative ist eine dreistündige Fahrt von Murter auf dem Festland, doch das ist eine sechsstündige Fahrt für den Fahrer und erfordert einen halben Tag gutes Wetter – was nicht allzu oft vorkommt. Es gibt große Touristenboote, die in der Gegend unterwegs sind, aber sie docken nur im nördlichen Teil der Kornaten an, drehen um und fahren zurück zum Festland
Vrulje ist die Hauptsiedlung des Archipels ohne ständige Einwohner.
Ich komme aus einem kleinen renovierten Fischerhaus, das mitten in einer Siedlung mit 20 Häusern steht. Alle Häuser lehnen sich aneinander und bilden schmale Gassen, in denen hier und da eine Bank im Schatten steht. Abgesehen von einem gelegentlichen blauen Fenster oder einem grünen Busch werden die Straße und die karge Mondlandschaft rund um das Dorf von weißlicher Steinfarbe gekennzeichnet.
Als ich aus dem Haus komme, sehe ich drei Esel, die mich anstarren. In den Sommermonaten ist das am frühen Morgen was vollkommen normales. Sie suchen nach Wasser. Ich überquere die 2 m breite Gasse, um zu den Häusern zu gelangen, die in der ersten Reihe am Meer stehen. Hier finde ich Ivo, einen Mann in seinen Fünfzigern, der im tiefen Schatten sitzt und sich über einen Holztisch in einer kleinen Gasse lehnt. Über ihm hängt eine Ecke eines großen weißen Segels, das sich über die Pier erstreckt. Er hat es aufgestellt, um seinem „Restaurant“ zusätzlichen Schatten zu spenden. Eigentlich sind es nur ein paar einfache Holztische, die in der kleinen Gasse und an der Pier verstreut sind. Ivo blickt zum Tischrand, an einem kleinen Glas Rakija vorbei, das vor ihm steht.
Ich komme aus einem kleinen renovierten Fischerhaus, das mitten in einer Siedlung mit 20 Häusern steht. Jedes mit blauen Fenstern, schmalen Gassen und hier und da einer Bank, die im Schatten steht – alles umgeben von einer öden, mondähnlichen Landschaft.
"Guten Morgen!" Ich grüße ihn und gehe zu seinem Tisch. "Hallo! Komm her! Willst du eins?" – Und zeigt aufs Gläschen auf dem Tisch. Es ist halb neun morgens, aber für Ivo ist es bereits Mittag. Normalerweise steht er vor Sonnenaufgang auf, so gegen 4 Uhr morgens, und hat bis jetzt wahrscheinlich schon sein Mittagessen gegessen – Prosciutto-Schinken und Käse. Er nimmt oft einen Happen zu sich, wenn er von seinem Angeltouren zurückkommt.
Tome und Ivo sortieren den morgendlichen Fischfang.
Ein seltener Anblick in der Adria – ein ordentlicher Fang von kleinen Fischern.

"Klar. Danke. Wie war es heute Morgen?" – Ich setze mich zu ihm und wünsche Tomislav, der mit einem Tablett mit frisch geputztem Fisch am Tisch vorbeigeht, guten Morgen.
"Es war gut." – Eine Standardantwort. Ivo beschwert sich selten über seinen Fang.

Er ist einer der wenigen Menschen, die in diesem Archipel fischen dürfen. Da es sich um einen Nationalpark handelt, dürfen nur Grundbesitzer hier angeln – und er ist einer davon.
Es gibt reichlich Fisch, aber nur wenige Fischer. Es erinnert mich sehr an meine Kindheit auf den Inseln 60 km nördlich von hier. Die Fischereitradition stirbt langsam aus – seit wir Mitglied der EU sind dürfen lokale Fischer nicht mehr für sich selbst fischen, es sei denn, sie zahlen eine saftige Summe Geld für eine Lizenz. Dazu kommt noch, dass kommerzielle Fischer immer zahlreicher werden und immer mehr Fische fangen.
Hier auf den Kornaten ist es anders.

 

WIE SCHWER KANN DAS LEBEN AUF EINER INSEL SEIN?

Hast Du die Bestien gesehen?" – er nickt mit dem Kopf und blickt lächelnd auf einen Esel, der um die Ecke bog und durch das Labyrinth kleiner Gassen wanderte. „Wir müssen ihnen Wasser geben.vSonst würden sie nicht überleben." – er wendet sich dem Meer zu und legt seine Hand auf eine Seite der Bank. – „Sie gehörten einem alten Mann in der nächsten Bucht, er war mein Cousin.

Er ist gestorben und jetzt gibt es niemanden, der sich um sie kümmert, also wandern sie herum und kommen in den trockensten Monaten zu uns." Wir sprechen über die Tiere und darüber, wie Menschen hier immer mit den Tieren zusammengelebt haben. Wir leeren die Gläser, Ivo nimmt sein Handy und schiebt es mit der Hand um den Tisch herum. Es fühlt sich an, als wäre dies kleine Gerät eine große Belastung und eine Quelle der Frustration, die er gerne vermeiden möchte:

" ... heute ist ein sehr ruhiger Tag.
Das wird noch Tage so dauern ..." sagt er besorgt.
Das ist normales Spätsommerwetter.
" ... aber unser Trinkwasser wird knapp.

Wir müssen „Bokanjac“ anrufen – sagt er mit beunruhigender Miene und bezieht sich dabei auf das Boot, das die Inseln mit Wasser versorgt und es zu einem Spitzenpreisen verkauft. Um Wasser hier zu bekommen braucht man gute politische Verbindungen, fast wie in der Serie "House of Cards". Bootskapitäne müssen in diesem Teil der Adria Dutzende Inseln mit Wasser versorgen. Natürlich sind die Kornaten nicht ihre Priorität – die Fahrt hierher ist lang und es gibt nur eine Handvoll Kunden, die das Wasser kaufen. Anders als auf den nördlicheren Inseln, die dichter besiedelt sind und näher an Zadar liegen, von wo die Inselbewohner mit Wasser besorgt werden. Es hilft auch nicht, dass der Handyempfang willkürlich funktioniert. Am besten funktioniert das auf dem nahegelegenen Hügel, der eine halbe Stunde zu Fuß entfernt ist, aber manchmal gibt es überhaupt keinen Empfang. So ist es heute schwierig Dinge zu koordinieren. Vor allem wenn die Menschen auf dem Festland (und sind wir das nicht alle) dazu neigen, die Dinge offen zu halten und Gespräche mit „wir reden später weiter“ zu beenden. Später ist der Empfang möglicherweise schon weg. Das Leben hier zwingt dich dazu, den Moment zu nutzen – die subtile buddhistische Weisheit durchdringt hier alles.

 

Eigentlich ist es nicht nur der Handyempfang oder das Wasser – irgendetwas hier zu bekommen ist schwer. Du kannst hier nichts bauen, weil es ein Nationalpark ist und die nächste Zivilisation 2 Stunden mit dem Boot entfernt liegt. Die Bucht ist flach, was den meisten Baubooten nicht ermöglicht, auch nur in die Nähe des Dorfes zu gelangen. Das könnte erklären, warum es hier so wenige Häuser gibt oder warum sie bescheiden und klein sind. Oder warum die Boote so poliert und gepflegt sind – anders als in anderen Fischerhäfen, wo sie verfallen und verrotten – sie sind die einzige Verbindung zur Außenwelt. Aber Ivo und seine Nachbarn kommen immer noch jedes Jahr hierher. Während einige hierher kommen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, will Ivo einen alten Lebensstil aufrecht erhalten. Er sagt: „Ich kam schon als Kind hierher und meine ganze Familie hat hier gearbeitet. Das sind unsere Ländereien. Das ist was wir machen."
AUF WELLEN, STEINEN UND IN STILLE

Gunter, ein Architekt aus Olm, der mich auf dieser Reise begleitet, arbeitet sich von seinem Haus hinunter zur Pier und zu den Tischen, die jetzt zum Frühstück gedeckt sind: lokal hergestellte Feigenmarmelade (von Frau Rosa, die zwei Häuser weiter wohnt), Ziegenkäse aus Sali, frisch gebackenes Brot und der Duft von Tomes ausgezeichnetem Espresso. Nach dem Frühstück brechen wir zu unserer Kajaktour zum westlichen Ende des Archipels auf. Es ist ein perfekter Tag fürs Kajaken. Das Meer ist flach wie Olivenöl und die Kajaks gleiten sanft auf der Oberfläche.

„Alle Seiten der Inseln mit Blick aufs offene Meer enden mit steilen Wänden, die bis in eine Tiefe von 90 m unter Wasser reichen.
Wir paddeln vorbei an Mana – einer Insel mit 100 m hohen Klippen. Sie hören nichts als Paddel, die lautlos durch die Wasseroberfläche schneiden. Die Ruhe ist absolut atemberaubend. Zusätzlich verstärkt wird sie von hohen Klippen, von denen wir wie Ameisen in Kajaks aussehen. Die Klippen bilden ein Amphitheater, das normalerweise den Klang von Wellen, die gegen die Felsen schlagen, noch verstärkt. Aber heute fühlen sie sich viel größer an. Die Stille fühlt sich lauter an als die heiße Sonne und die scharfen Felsen.
WENN SICH IHR LEBEN NACH DEM TEMPO DER NATUR RICHTET

Später am Abend treffen wir uns wieder auf der Pier. Dieser kleine Steg ist wie ein Wohnzimmer. Ivo putzt seine Fische am frühen Morgen direkt am Meer, dann bewegt er sich entlang der Mauer weg vom Meer, um tagsüber den Schatten zu genießen. Am Nachmittag, wenn wir von der Kajaktour zurückkehren, liegen wir herum und lehnen uns an die Steinklampe, die in der

Mitte der Pier steht, trinken etwas und genießen die letzten Sonnenstrahlen, als wir der Sonne beim verschwinden hinter dem Horizont zusehen. Wir alle bewegen uns und benutzen diesen kleinen Streifen aus abgenutzten Steinen, die an allen drei Seiten vom Meer umgeben sind. Ein kleiner Steg - Architektur in ihrer einfachsten Form. Das köstliche Buzara wird serviert, mit einer lokalen Sorte von Bohnen und Kartoffeln als Beilage.

Ivo ist ein selbst-erlernter Koch, obwohl er gelegentlich einen Blick in seine "Enzyklopädie" wirft, damit sein Essen das gewisse Extra bekommt und noch außergewöhnlicher schmeckt.
Frische Öko-Zutaten helfen da auf jeden Fall. Wenn wir mit Ivo und Tome sprechen, scheint es, dass wir viele Dinge gemeinsam haben, vieles ist aber auch unterschiedlich.
Wir sprechen über Arbeit, Familie, Gesundheit und unsere Gewohnheiten, aber es scheint, dass all ihre Gespräche und Bemühungen irgendwie auf den natürlichen Fluss der Dinge abgestimmt sind. Und das beeinflusst ihre Leben am meisten.

Alles, vom Aufstehen über den Besuch der Olivenfelder bis hin zur Bepflanzung des Gartens, wird von Wetter, von Sonnenaufgang und von der Jahreszeit bestimmt. Du musst auf den Wind hören, um zu wissen, wann du fischen gehst. Du nutzt die Pier so, wie es die Sonne möchte. Alles ist einfach, doch gut durchdacht. Ich würde gerne diese "Enzyklopädie" in die Hände bekommen. In Zeiten, in denen unser Planet in Gefahr zu sein scheint, stellen wir fest, dass es immer schwieriger wird, das Gleichgewicht im Leben zu halten und gleichzeitig verbunden und effizient zu bleiben.
Wir sprechen über Arbeit, Familie, Gesundheit und unsere Gewohnheiten, aber es scheint, dass all ihre Gespräche und Bemühungen irgendwie auf den natürlichen Fluss der Dinge abgestimmt sind. Und das beeinflusst ihre Leben am meisten.
„Die Sonne wirft ein etwas anderes Licht auf das Leben hier auf den Kornati Inseln.“
Hier, weit weg von allem, sehen wir, dass vieles, was wir für selbstverständlich halten, schwierig ist – das Leben hat seine Herausforderungen und die Natur hat in allen Lebensbereichen ein Mitspracherecht. Dennoch scheint es, dass die Menschen ein Gleichgewicht und eine Harmonie gefunden haben, die sich seit Jahrhunderten entwickelt haben. Das beweist, dass sich Einfachheit und Weisheit entwickeln und geformt werden, so wie der Wind und das Meer die Felsen und Klippen auf den Inseln formen. Es gibt Hoffnung, dass du immer dein Gleichgewicht finden kannst – es braucht nur Zeit und Übung.
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